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Sprache ist Ausdruck des Denkens

Kaum eine Sprache ist so präzise wie die Deutsche. Nehmen Sie z.B. das Wort Fußbodenschleifmaschinenverleih. Oder das Wort Schadenfreude. Dieses findet sich nirgendwo anders als im Deutschen.

 

In Gambia gibt es neun verschiedene Stämme, die sich untereinander nur in den Hauptsprachen Mondinka oder Wolof verstehen. Das Englische, obwohl die Amtssprache, ist, je weiter wir ins Landesinnere kommen, bei den Älteren noch nicht angekommen. Die Sprachen der Stämme sind keine Schriftsprachen. Sie werden mündlich übertragen und sind daher sehr lebendig. So fließen auch nach und nach englische Begriffe ein, wie "problem" oder für Zeitangaben. 

 

Was mir auffällt ist, die Gespräche mit Gambiern verlaufen oft spiralförmig.. Man nähert sich dem Kern eines Themas durch Nachfragen. Folgendes Gespräch mag dies verdeutlichen:

 

Wir würden vielleicht so miteinander reden:
"Morgen fahren Fatou und Amie in das Dorf unseres Vaters im Senegal, um seines Todestages mit anderen zusammen zu gedenken."

 

In Gambia hört sich das so an:
"Er fährt morgen ins Village" "Wer?"
"Fatou" (Anmerkung: Fatou ist die Schwester von Adama) "Und wo liegt das Dorf?"
"Weit weg." "Wie weit?" "Er muss früh am Morgen los." "Okay. Muss sie die Fähre nehmen?"

"Ja." "Also liegt das Dorf auf der Nordbank? "Es liegt im Senegal."

"Fährt sie alleine?" "Nein Amie kommt mit." "Oh, und was macht ihr da?" "Da gibt es eine Celebration?" "Und was zelebriert ihr?" "Weißt du für uns ist es sehr wichtig, dass wir die Eltern ehren." ... 

 

Der Gambier bleibt aus unserer Sicht meist im Allgemeinen, im Ungefähren. Wir dagegen drängen auf Präzision, auf Exaktheit. Wir wollen es konkret haben. Das ist dort aber einfach nicht wichtig. 

 

Auch begriff ich erst langsam, dass feminine oder maskuline Pronomen unwichtig sind. Frauen benutzen auch bei Männern oft die weibliche Form. Und umgekehrt.

Ebenso wie Entfernungen sind Angaben  wie "weit", "groß", "teuer" ... sind zu stets zu hinterfragen. Für uns sind 80 km keine wirkliche Entfernung. Für viele Gambier ist das eine Weltreise. Viele sind ihr Leben lang nicht weiter als ein Drittel ins Landesinnere Gambias gekommen.Wenn etwas weit weg ist, dann heißt das, ich bin lange weg. Wenn jemand geht, ist er weg, und wenn er wieder kommt, ist er da. Wenn es bei der Rückkehr etwas zu essen gibt, ist es gut, wenn nicht auch. Ob etwas wie teuer ist, ist egal. Teuer heißt, ich kann es mir nicht leisten. Ich brauche gar nicht darüber nachzudenken.

 

Unsere Gespräche dienen meist dem Austausch von Informationen. Für die Gambier ist das Gespräch der Ausdruck sozialer Zugehörigkeit. Wirkliche Informationen sind dabei (zunächst) nicht wichtig.

 

Was mir auch noch auffällt, sind Redundanzen, die Wiederholungen.

Wenn man sich zu einem Thema angenähert hat und das Gefühl hat, jetzt haben wir alle verstanden worum es geht, wird dann zwei bis dreimal wiederholt. Man nickt sich gegenseitig zu, gibt sich auch mal die Hand zum Zeichen des gemeinsamen Verstehens, lacht und freut sich, dass nun alles klar ist ...  Für uns dauert das zu lange, doch was ist schon Zeit :-)

 

Sprache ist Ausdruck des Denkens.
Daher hier noch einige Beispielsätze auf Mandinka:

 

Kortanantee?
  Gemeint: Wie geht es Ihnen?
  Wörtlich: Hoffe-Problem-kein.

 

Ibidjee
  Gemeint: Zuhause geht's ganz gut.
  Wörtlich: Sie sind dort.

 

Kairabee?
  Gemeint: Alles in Ordnung?
  Wörtlich: Frieden aller.

 

Kairadorong
  Gemeint: Ja, alles in Ordnung.
  Wörtlich: Frieden nur..

  

Mangkendeya
  Gemeint: Ich bin krank
  Wörtlich: Ich nicht gesund.

 

Suto, m ball be kandiring.
  Gemeint: Nachts habe ich Fieber
  Wörtlich: Nacht mein Körper heiß?

M laffta bungo-do-la.
  Gemeint: Ich möchte ein Zimmer.
  Wörtlich: Ich wollte Haus anderes.

(Beispiele aus "Kauderwelsch, Band 95, "Mandinka für Gambia" von Karin Knick)

 

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